Interview mit Prof. Dr. Henrik Müller, vom Lehrstuhl Wirtschaftspolitischer Journalismus am Institut für Journalistik der TU Dortmund
Prof. Dr. Henrik Müller, Lehrstuhl Wirtschaftspolitischer Journalismus, Economics & Journalism, Institut für Journalistik, Technische Universität Dortmund
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Haus der Pressefreiheit: Die jüngste Studie des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) warnt vor weiter zunehmenden Bedrohungen der Pressefreiheit. Und auch in den USA wird die freie Meinungsäußerung der Medien massiv beschnitten oder durch unsägliche Äußerungen diffamiert. Wie bereiten Sie Ihre Studenten auf diese Herausforderung in der späteren Praxis vor?
Professor Henrik Müller: Vor allem indem wir versuchen, ihnen ein solides professionelles Selbstbewusstsein zu vermitteln. Journalistinnen und Journalisten sind im Auftrag der Öffentlichkeit unterwegs. Ihre Aufgabe besteht zuallererst darin, aktuelle Fakten zur Geltung zu bringen und in einen breit abgesicherten Kontext zu stellen. Um dieser komplexen Aufgabe gerecht zu werden, brauchen sie Fachwissen und Recherchefähigkeiten. Auch Wissen um ihre Rechte ist zentral. All das vermitteln wir in einer Vielzahl von Veranstaltungen. Guter – das heißt, faktisch korrekter, erhellender – Journalismus imprägniert sich durch seine Leistungen für die Gesellschaft ein Stückweit selbst gegen Übergriffe. Das wird, hoffentlich, auch so bleiben, trotz aller Polarisierung, die auch in Deutschland zunimmt.
Haus der Pressefreiheit: Mit dem Studiengang „Wirtschaftspolitischer Journalismus“ ist die TU Dortmund in der veränderten globalen Wirtschaftsordnung nahezu idealtypisch aufgestellt. Wie schätzen Sie gerade mit Ihrer Erfahrung in der Chefredaktion des ‚Manager Magazins‘ die Zukunftschancen des Wirtschaftsjournalismus ein und welchen thematischen Schwerpunkten sollte sich dieser besonders annehmen?
Professor Henrik Müller: Schön, dass Sie das so formulieren! Ich kann das nur unterstreichen. Gerade die Wirtschaft und die Wirtschaftspolitik sind Berichterstattungsfelder, die durchzogen sind von mächtigen materiellen Interessen. Diese Interessen offenzulegen, Verdrehungen der Wahrheit und Verzerrungen der Realität entgegenzutreten, ist extrem wichtig. Wo dieses Korrektiv fehlt, unterminieren Korruption und Inkompetenz die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und damit das Wohlergehen der Gesellschaft insgesamt.
Allerdings verlangt so verstandener Wirtschaftsjournalismus den Lesern und Nutzern einiges ab. Es ist mühsam, sich vernünftig zu informieren. In Zeiten des harten Aufmerksamkeitswettbewerbs ist es nicht immer leicht, mit unseren Themen durchzudringen. Als Reaktion darauf fokussieren sich viele Redaktionen auf Nutzwert: auf Geldanlage-, Konsum-, Karriere- oder Gesundheitstipps. Aber dabei geht uns leicht das eigentlich Politische verloren, also jene Fragen, die sich uns als Gesellschaften stellen und auf die wir gemeinsam Antworten finden müssen. Ich würde mir deshalb wünschen, dass die öffentlich-rechtlichen Anbieter eine breitere kontinuierliche Berichterstattung über Wirtschaftspolitik und Großunternehmen gewährleisten. Falls Ihre Leser das Thema näher interessiert: Wir haben voriges Jahr eine Studie für die Otto-Brenner-Stiftung dazu veröffentlicht (zum Download geht’s hier: https://www.otto-brenner-stiftung.de/wirtschaftsberichterstattung-in-ard-und-zdf/).
Haus der Pressefreiheit: Das Medienbusiness steht ja nach wie vor stark unter Druck und die Rahmenbedingungen versprechen keine Trendumkehr. Mit welchen Argumenten überzeugen Sie junge Menschen, den Beruf des Journalisten zu ergreifen?
Professor Henrik Müller Es gehört natürlich ein Schuss Idealismus dazu, diesen großartigen Beruf zu ergreifen. Aber darin besteht gerade der Reiz. Im Journalismus zu arbeiten, kann extrem befriedigend und sinnstiftend sein. Für die klassischen Wirtschaftsmedien mache ich mir übrigens weniger Sorgen als um manches General-Interest-Angebot. Sie sind weniger stark von dem Druck betroffen, von dem Sie sprachen. Denn sie zielen auf eine spezielle, tendenziell einkommensstarke Kernnutzerschaft ab, die auf verlässliche Informationen angewiesen ist und eine hohe Zahlungsbereitschaft hat. Das wird nicht verschwinden. Klar, der Wettbewerb durch englischsprachige internationale Medien wie die Financial Times, den Economist oder Bloomberg nimmt zu. Aber wir sind ein mittelgroßes Land mit einer großen Volkswirtschaft, die vor grundlegenden Weichenstellungen von enormer Tragweite steht. Da haben deutschsprachige Medien in weiten Teilen ein Alleinstellungsmerkmal. Entsprechend mache ich mir keine übergroßen Sorgen.
Haus der Pressefreiheit: Bislang ist eine sachbezogene Förderung der Presse durch die Bundesregierung zur Unterstützung beim Transformationsprozess nicht zustande gekommen. Wie stehen Sie zu einer solchen Förderung?
Professor Henrik Müller Da bin ich sehr skeptisch. Wir haben ein vielfältiges öffentlich-rechtliches System. Diese Angebote auszubauen und ins Digitalzeitalter zu übersetzen, sollte im Fokus stehen.
Hamburg, 24. April 2025 / JH