Der Erste Weltkrieg im Spiegel der Presse

Zeitstrahl

Als „Belagerungszustand der Wahrheit“ bezeichnete Peter de Mendelssohn die Situation der Zeitungen und Zeitschriften in der Zeit des Ersten Weltkriegs. In seinem Buch „Zeitungsstadt Berlin“ heißt es dazu:

„Der Krieg und die Zeitungen stehen auf keinem guten Fuß miteinander. Es kann nicht anders sein; und es ist gut, daß es nicht anders ist. Zu keiner Zeit werden Zeitungen nötiger gebraucht als im Krieg; und zu keiner Zeit sind sie gröberem Mißbrauch ausgesetzt, haben sie es schwerer, ihre Aufgabe zu erfüllen und ihren individuellen Charakter zu wahren. Gleich den Katzen in der Nacht sehen im Krieg alle Zeitungen grau aus. Ein unausweichliches Gesetz zwingt sie dazu, immer unlesbarer zu werden, je gieriger sie gelesen werden, immer weniger Wahrheit zu enthalten, je dringlicher man Wahrheit in ihnen sucht.

Je länger der Krieg dauert, je ungünstiger er verläuft, desto mehr gleichen die Zeitungen einander, desto geringer wird ihre Zahl. Dauert der Krieg allzu lange und verläuft er allzu schlecht, dann werden zum Schluß alle Zeitungen eins, und endlich gibt es überhaupt keine Zeitungen mehr. Der ganze riesige Blätterwald schrumpft zu einem einzigen Baum zusammen, und diesen Baum trifft der Blitz.“

Solch einen totalen Zusammenbruch erlebte Deutschland erst im Jahr 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, mit der von den Nationalsozialisten komplett gleichgeschalteten Presse. Das vom Verein Deutsches Pressemuseum Hamburg e.V. geplante Internet-Portal „Haus der Pressefreiheit“ will und wird sich in der ersten Phase mit dem Wiederaufbau einer freien Presse nach 1945 beschäftigen. Und mit der dann beginnenden Medienvielfalt.

100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs möchten wir hier – auch mit Hilfe unserer Bestände – zeigen und dokumentieren, welche Rolle vor allem die Zeitungen und Zeitschriften zwischen 1914 und 1918 gespielt haben, wie sie gegängelt und zensiert wurden. Erscheinungsverbote für einzelne Objekte gab es aber noch nicht. Monarchie, Militär und Politik setzten auf subtile Zensurmaßnahmen in Form von gefilterten Informationen auf den täglichen Pressekonferenzen im Reichstag. Pazifistische Töne waren zunächst nicht sonderlich gefragt, verkauften sich auch nicht gut. „Soll man das bringen?“ lautete die Frage, zumindest bei Ausbruch des Krieges und noch weit bis ins Jahr 1916. Erschwerend kam hinzu, dass es immer weniger Papier gab und Metall für den Bleisatz.

Siege wurden von der Presse enthusiastisch gefeiert, Rückschläge und Niederlagen eher ausgeblendet oder abgemildert. So wurde die eigene, die deutsche Sicht journalistisch aufbereitet und verbreitet – anders als etwa von den Zeitungen aus dem neutralen Ausland wie der Schweiz, die auch in Deutschland weiterhin ohne Einschränkung abonniert und gelesen werden durften.Peter de Mendelssohn zitiert dazu den Vorsitzenden des Berliner Presseausschusses Georg Bernhard, in jenen Jahren das Bindeglied zwischen Presse, Regierung und Militär:

„Da den Zeitungen verboten war, das zu berichten, was Hunderte oder draußen Tausende miterlebten, und da vielfach die erst nach amtlicher Zustutzung veröffentlichten Nachrichten dem Geschehenen oder Miterlebten stracks zuwiderliefen, so hielt man schließlich alles, was in der Zeitung stand, für amtlich befohlenen Schwindel. Durch dieses kuriose Verfahren verhinderte man aber nicht einmal, daß das deutsche Volk die Wahrheit erfuhr. Denn die Presse aus neutralen Ländern, insbesondere die deutsch geschriebenen schweizerischen Blätter, kam ungehindert ins Land, konnte abonniert werden und wurde in allen Cafés gelesen. Alles spottete über die deutsche Presse, die nichts bringen durfte, dafür aber glaubte jeder alles, was in den fremden Blättern stand ...“

Das muss man sich vor Augen halten, wenn man die hier gezeigten Originalseiten liest und analysiert: Zur Beruhigung der Heimatfront gab es Fotos mit entspannten Soldaten in der Etappe beim Kaffeemahlen, bei der Sonntagsruhe in Polen, ja sogar beim Pflügen von erobertem Feindesland. Informationen über Kriegsgräuel wurden nur in homöopathischen Dosen verabreicht: Eine zerstörte Ortschaft in Masuren oder die Versorgung von Verwundeten auf dem Verbandsplatz.

Und um die Siegeszuversicht zu schüren, wurde immer wieder jede Menge erbeutetes Kriegsmaterial gezeigt! Um Ihnen die Einordnung unserer Presseartikel zu erleichtern, haben wir besagte Medienseiten mit entsprechenden Ereignissen und Vorgängen laut Zeitchronik des Deutschen Historischen Museums Berlin gespiegelt. Mehr historisch relevante Details finden Sie dort unter dem Stichwort LEMO Lebendiges Museum Online.

(hhb)