Hans Flesch

Der Arzt Hans Flesch gehörte neben Hans Bredow zu den Rundfunkpionieren in Deutschland. Für ihn war der Rundfunk ein Medium, das wie kein anderes die künstlerischen Ereignisse und das politische Geschehen spiegeln konnte. 1924 wurde Flesch künstlerischer Leiter der SÜWRAG Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG. Ab 1929 war er Intendant der Berliner Funk-Stunde, in der er auch das politische Geschehen abbildete. Was dazu führte, dass er schon 1932 vom Kabinett Papen entlassen und dann nach der NS-Machtergreifung in "Schutzhaft" genommen wurde.

Johannes Georg Julius Jacob genannt Hans Flesch wurde am 18. Dezember 1896 als jüngster Sohn des Juristen, Politikers und Sozialreformers Karl Flesch in Frankfurt/Main geboren. Nach seiner Schulzeit meldete er sich 1915 freiwillig zum Sanitätsdienst in der kaiserlichen Armee und kehrte 1918 schwerverwundet nach Frankfurt zurück. Er studierte in Heidelberg Medizin mit Schwerpunkt Radiologie. Nebenher besuchte er in seiner Heimatstadt die Schauspielschule von Carl Ebert.

Nach seiner Promotion zum Doktor der Medizin wurde Hans Flesch 1924 künstlerischer Leiter der SÜWRAG Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG in Frankfurt. Die SÜWRAG war im Dezember 1923, also mitten in der Inflationszeit, von engagierten Privatleuten gegründet worden, darunter Fritz von Opel und Carl Adolf Schleussner, der zuvor Röntgenfilm-Material und Rollfilme hergestellt hatte. Gründungskapital waren 100 Billionen Papiermark, was einem Wert von ca. 60.000 Goldmark entsprach. Der Sendebetrieb startete am 1. April 1924.

article picture

Copyright: ullstein bild - ullstein bild

Flesch war wegen seiner Experimentierfreude bekannt und in Künstlerkreisen gut vernetzt. Sein Schwiegervater war der Frankfurter Opernkapellmeister Ludwig Rottenberg. So war es für ihn kein Problem, Schriftsteller, Musiker und Philosophen zur Mitarbeit zu gewinnen – darunter Walter Benjamin, Bertolt Brecht, Thomas Mann, Kurt Weill, Carl Zuckmayer sowie der junge Theodor W. Adorno und Paul Hindemith, mit dem er verwandt war. Flesch wollte mit seinem Sender aus der täglichen Rundfunk-Langeweile ausbrechen: morgens nicht mehr nur Gymnastik und religiöse Themen, mittags Kochrezepte, abends Konzerte oder belehrende Vorträge und zum Sendeschluss das Deutschlandlied. Auf der Suche nach anderen, nach neuen Sendeformen schrieb er das erste deutsche Hörspiel – „Zauberei auf dem Sender“, das am 24. Oktober 1924 ausgestrahlt wurde. Eine Groteske mit spielerisch eingesetzten und bisher unbekannten technischen Möglichkeiten. Ein amüsanter abendlicher Spuk aus dem Äther.

Hans Flesch als Hörspiel-Mixer in „Der Deutsche Rundfunk“ vom 15.5.1931

article picture

Bald darauf galt Flesch als der fortschrittlichste deutsche Rundfunkleiter und wurde am 1. Juli 1929 zum Intendanten der Berliner Funkstunde in der Hauptstadt berufen. Auch hier blieb er experimentierfreudig und entwickelte Sendeformen, die bis heute in ähnlicher Form erhalten sind: „Interview der Woche“, eine tägliche „Presseumschau“ oder „Gedanken zur Zeit“. Die Zeitschrift Funk urteilte damals: „Er hat dem freien Wort Geltung verschafft.“

Aber in Berlin wurde er für die nationalen Rechtsparteien zu einer Hassfigur. Sie fühlten sich von diesem „Rundfunksystem“ bedrängt, weil der Staat kaum Einfluss auf die gesendeten Inhalte hatte. Im Rahmen einer „Rundfunkreform“ durch die Reichsregierung Franz von Papen wurde das NSDAP-Mitglied Erich Scholz 1932 zum Rundfunkkommissar im Reichsinnenministerium ernannt. Flesch, ein Vertreter des modernen und bedingungslos demokratischen Rundfunks, war vom späteren NS-Rundfunkintendanten Richard Kolb ohnehin seit langem angefeindet worden und immer wieder Ziel von Attacken durch SA-Rabauken. Er wurde bereits am 15. August 1932 als Intendant der Berliner Funk-Stunde entlassen und nach der endgültigen Machtergreifung durch Kolb ersetzt, der dann mit Goebbels einen zentralistischen Propagandarundfunk etablierte.

Im August 1933 wurde Flesch mit anderen Vertretern des bisherigen Rundfunks inhaftiert und ins Konzentrationslager Oranienburg eingeliefert. Am 9. August 1933 vermerkt Goebbels dazu in seinem Tagebuch: „Die Rundfunkbarone auf meine Veranlassung nach Oranienburg. Jetzt wimmern sie in Briefen und Telegrammen und bekommen Nervenzusammenbrüche. Das passt auch ganz zu diesen feigen Großverdienern.“

Später wurde aus dem KZ Untersuchungshaft in Moabit. Flesch klagte man dann im sogenannten „Reichs-Rundfunk-Prozess“ an, ein von den Nazis initiierter Schauprozess, der 89 Tage dauerte. Dieser Prozess gegen einige der bekanntesten Vertreter des sog. „Weimarer Systemrundfunks“ – darunter auch Hans Bredow – begann im November 1934 vor dem Landgericht Berlin. Ihre Verurteilung wegen angeblichen Parteiverrats und Korruption zum Nachteil ihrer Sender wurde im Februar 1937 durch das Reichsgericht wieder aufgehoben. Eine geplante Revision wurde auf Anordnung von Goebbels im März 1938 wegen zu geringer Aussicht abgeblasen.

Der Halbjude Flesch durfte nach dem Prozess weder künstlerisch noch als Arzt arbeiten, sondern musste sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. 1943 wurde er dann zu Praxisvertretungen für Ärzte im Militärdienst zwangsverpflichtet. So kam er nach Crossen an der Oder, wo er zwei Arztpraxen betreute. Ende Januar 1945, die Bevölkerung Crossens war bereits evakuiert und die Rote Armee marschierte auf Berlin zu, sah Flesch das Elend der verwundeten Soldaten und richtete als Zivilarzt in der Crossener Hindenburg-Schule ein Lazarett ein. Im März 1945 wurde Flesch als Arzt an den Volkssturm überstellt. Am 1. April schrieb er einen letzten Brief, in dem er einen bevorstehenden Fronteinsatz erwähnt. Noch ein Telefonat, danach verliert sich seine Spur. Ende 1945 wurde er für tot erklärt.

Im Sommer 1945 suchten Amerikaner und Briten noch nach ihm – er sollte in ihren Besatzungszonen einen neuen Sender gründen. Flesch hätte dann wohl Intendant des RIAS Rundfunk im amerikanischen Sektor werden sollen.

(hhb)

 

Quellen:

Brigitte Baetz: Hans Flesch – der Zauberer auf dem Sender / Deutschlandfunk 25.10 2023

Marianne Weil: Hans Flesch in Berlin – als das Hören neu erfunden wurde / Hans-Flesch Gesellschaft

https://www.youtube.com/watch?v=2cKxe9jXcgg