Hans Flesch wurde am 18. Dezember 1896 als jüngster Sohn des Juristen, Politikers und Sozialreformers Karl Flesch in Frankfurt/Main geboren. Nach seiner Schulzeit meldete er sich 1915 freiwillig zum Sanitätsdienst in der kaiserlichen Armee und kehrte 1918 schwerverwundet nach Frankfurt zurück. Er studierte in Heidelberg Medizin mit Schwerpunkt Radiologie und besuchte einige Zeit die Schauspielschule von Carl Ebert in seiner Heimatstadt.
Nach seiner Promotion zum Doktor der Medizin wurde Hans Flesch 1924 künstlerischer Leiter der SÜWRAG Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG in Frankfurt. Die SÜWRAG war in diesem Jahr, also mitten in der Inflationszeit von engagierten Privatleuten gegründet worden, darunter Fritz von Opel und Carl Adolf Schleussner, der zuvor Röntgenfilm-Material und Rollfilme hergestellt hatte. Gründungskapital waren 100 Billionen Papiermark, was einem Wert von ca. 60.000 Goldmark entsprach.
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Flesch war wegen seiner Experimentierfreude bekannt und gut in Künstlerkreisen vernetzt. Sein Schwiegervater war der Frankfurter Opernkapellmeister Ludwig Rottenberg. Darum war es für ihn kein Problem, Schriftsteller, Musiker oder Philosophen wie Bertolt Brecht, Kurt Weill, Walter Benjamin, den jungen Theodor W. Adorno oder seinen Schwager Paul Hindemith zur Mitarbeit zu gewinnen. Er wollte mit seinem Sender aus der täglichen Rundfunk-Langeweile ausbrechen: morgens nicht mehr nur Gymnastik und religiöse Themen, mittags Kochrezepte und abends Konzerte oder belehrende Vorträge und zum Sendeschluss das Deutschlandlied. Auf der Suche nach anderen, nach neuen Sendeformen schrieb er zum Beispiel das erste deutsche Hörspiel - „Zauberei auf dem Sender“, das am 24. Oktober 1924 ausgestrahlt wurde. Eine Groteske mit spielerisch eingesetzten und bis dato unbekannten technischen Möglichkeiten eines Rundfunksenders. Ein amüsanter abendlicher Spuk aus dem Äther.
Hans Flesch als Hörspiel-Mixer in „Der Deutsche Rundfunk“ vom 15.5.1931
Bald darauf galt Flesch als der fortschrittlichste deutsche Rundfunkleiter und wurde am 1. Juli 1929 zum Intendanten der Berliner Funkstunde in die Hauptstadt berufen. Auch dort blieb er experimentierfreudig. „Hans Flesch setzte sich wie kein anderer früh gegen das reine Live-Hörspiel und für die Verwendung des Tonbands in der Hörspielproduktion ein,“ urteilte später der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Krug. Aber in Berlin wurde er für die nationalen Rechtsparteien auch zu einer Galionsfigur im von den Nazis massiv bedrängten sogenannten „Systemrundfunk“.
Im Rahmen einer „Rundfunkreform“ durch die Reichsregierung Franz von Papen wurde das NSDAP-Mitglied Erich Scholz 1932 Rundfunkkommissar im Reichsinnenministerium. Flesch, ein Vertreter des modernen und bedingungslos demokratischen Rundfunks, wurde vom späteren NS-Rundfunk-Intendanten Richard Kolb ohnehin seit langem angefeindet und immer wieder von SA-Rabauken drangsaliert. Darum wurde er am 15. August 1932 als Intendant der Berliner Funk-Stunde entlassen und nach der endgültigen Machtergreifung von Kolb ersetzt, der dann mit Goebbels einen zentralistischen Staatsrundfunk etablierte.
Im August 1933 wurde Flesch mit anderen Vertretern des „Weimarer Rundfunks“ inhaftiert und ins Konzentrationslager Oranienburg eingeliefert. Woraus später Untersuchungshaft in Moabit wurde. Auch er wurde im sogenannten „Reichs-Rundfunk-Prozess“ angeklagt, in einem von NS-Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky initiierten Schauprozess, der 89 Tage dauern sollte. Dieser Prozess gegen einige der bekanntesten Vertreter des sog. „Systemrundfunks“ - darunter Hans Bredow und Hans Flesch - begann im November 1934 im Landgericht Berlin. Ihre Verurteilung wegen angeblichen Parteiverrats zum Nachteil ihrer Sender wurde im Februar 1937 durch das Reichsgericht wieder aufgehoben. Eine geplante Revision wurde auf Anordnung von Goebbels im März 1938 wegen geringer Aussicht abgeblasen.
Der Halbjude Flesch durfte auch nach dem Prozess weder künstlerisch noch als Arzt arbeiten, sondern musste sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. 1943 wurde er dann zu Praxisvertretungen für Ärzte im Militärdienst zwangsverpflichtet. So kam er nach Crossen an der Oder, wo er zwei Arztpraxen betreute. Ende Januar 1945, die Bevölkerung Crossens war bereits evakuiert und die Rote Armee marschierte auf Berlin zu. Flesch, ein Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, sah das Elend der verwundeten Soldaten und richtete als Zivilarzt in der Crossener „Hindenburg-Schule“ ein Lazarett ein. Im März 1945 wurde Flesch dann als Arzt an den Volkssturm überstellt. Am 1. April schrieb er einen letzten Brief, in dem er einen bevorstehenden Fronteinsatz erwähnt. Noch ein Telefonat, danach verliert sich seine Spur.
Im Sommer 1945 suchten Amerikaner und Briten nach ihm – er sollte in ihren Besatzungszonen einen neuen Sender gründen. Flesch hätte wohl Intendant des späteren RIAS Rundfunk im amerikanischen Sektor werden sollen.
(hhb)