Rolf Gillhausen

Rolf Herbert Gillhausen, am 31. Mai 1922 in Köln geboren, absolviert nach der Schulzeit eine Schlosserlehre. Das Ingenieurstudium wird im Krieg abgebrochen.

Nach der Gefangenschaft 1946 sucht er bei verschiedenen Gelegenheitsarbeiten nach seiner Bestimmung. Die findet er mit dem Besitz einer auf dem Schwarzmarkt eingetauschten Leica. Der Fotograf Fred Ihrt lehrt ihn, seine Kamera so zu handhaben, dass er damit auch Geld verdienen kann.

Als Reporter von Associated Press nimmt er 1955 am Adenauer-Chruschtschow-Treffen teil, bei dem er Henri Nannen kennenlernt, der ihn umgehend als freien Mitarbeiter für den „Stern“ gewinnt. 1956 gelingt Gillhausen eine spektakuläre Bildserie von den Aufständen in Ungarn. Die von dem "harten Vollblut-Reporter" im Stern erschienenen Fotos, Meilensteine der Reporterfotografie, erregen international Aufsehen, werden u.a. von Life veröffentlicht – der Ritterschlag. Der Erfolg dieser überzeugenden Kombination aus Optik und Nachricht wird zum Grundstein für Gillhausens Vorstellung, wie eine erfolgreiche Blattgestaltung auszusehen hat.

Es folgt eine Afrika-Reportage über den Aufstand der Mau Mau in Kenia. Danach reist er gemeinsam mit dem Textreporter Joachim Heldt ins für Fotografen bis dahin weitgehend unentdeckte China. Die Teamarbeit der beiden "besessenen Journalisten" mündet kompositorisch in einer Zeitschriftenserie für den Stern und einem TV-Film, der international vermarktet wird. Gillhausen, inzwischen längst zur Fotografen-Elite aufgestiegen, berichtet anschließend auch aus Ländern wie Indien, der Türkei und Kuba.

1963 erarbeitet er mit dem Autor Jochen Steinmayr die Reportageserie "DDR von innen". Nach diesem Erfolg legt einer der weltbesten Fotografen seine Leica zur Seite, um als Art-Direktor des „Stern“ seine Vorstellungen von der journalistischen Verwendung der Fotografie glanzvoll und nachhaltig zu verwirklichen.

 

Rolf Gillhausen

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1964 übernimmt Gillhausen die Titelgestaltung des Magazins. Von 1967 bis 1981 ist er zunächst als stellvertretender, die anschließenden drei Jahre als Chefredakteur nicht nur für die zunehmende Orientierung der Zeitschrift an Bildgeschichten, sondern auch für das gesamte journalistische Konzept des „Stern“ verantwortlich. Gillhausen hat nun sein Ziel erreicht, denn zeitlebens wollte er weder Fotograf noch Bildredakteur sein, sondern ein visueller Blattmacher.

Die eigene fotografische Praxis hat er aufgegeben, um – über die Fotos der anderen  – noch näher an das Zeitgeschehen zu gelangen. Dabei verlässt sich der optisch besessene Zeitschriftenmacher auf sein sicheres Gespür für die Gestaltung von Bildern, besonders für die Inszenierung von Fotoreportagen. Im Zusammenspiel von Text, Layout und Fotos gelingt ihm eine unverwechselbare Bildsprache. Und sein Talent als Scout setzt ihn in die Lage, genau die Fotografen auszuwählen und an sich zu binden, die die allerbesten Bilder liefern.

Das bildnerische Pathos, das den „Stern“ in der Ägide Gillhausens auszeichnet, besteht in einer Design-Ästhetik bei der einzelne Bilder zu aussagestarken Sequenzen zusammengefügt werden. Im Mittelpunkt steht ein emotional anrührender Moment, der durch eine einzigartige Aufmachung beim Leser den Eindruck erzeugt, unmittelbar am Geschehen teilzunehmen. Wichtigstes Kennzeichen seiner gestalterischen Arbeit ist eine flächendeckende Doppelseite, die den Betrachter durch eine gezielte Kombination ausgewählter Stilmittel wie grobes Korn, unscharfe Bildpartien, Nahaufnahme und Panoramabild geradewegs in das Bild hineinzieht.

Die Erfolge machen „Gill“, wie seine Freunde und Kollegen ihn nennen, so singulär, dass er, bewundert und gefürchtet, als das "Ober-Auge" des „Stern“ bezeichnet wird. Angetrieben von einer beharrlichen Neugierde und einer manischen Arbeitswut ist er bei der Auswahl der besten Fotos gnadenlos. Fast alles, was ihm vorgelegt wird, macht er mit der für einen Bildreporter bitteren Bezeichnung "alles Gurken" nieder. Eine Eigenart, die ihm mehr Feinde als Freunde verschafft. Gill gilt als streitlustig, widerborstig und unbequem. Privat ist er "verrückt nach Kunst" und ein Rotwein liebender Genussmensch – großzügig und verschwenderisch. In der Redaktion wird sein häufig barscher, autoritärer Umgangsstil beklagt, sein hartnäckiges Suchen und Finden guter Bilder und aufregender Themen jedoch als einzigartig geschätzt. 

Gillhausens Bestrebungen, ein bestmögliches Forum für Reportagen zu schaffen, gipfeln in seiner zweiten großen journalistischen Erfolgsgeschichte, der Schaffung des Magazins GEO, für das der Augenmensch die ersten drei Jahre als Chefredakteur verantwortlich zeichnet. Der Erfolg von GEO gründet auf der Magie von Bildern mit größter Sorgfalt recherchierten und geschriebenen Texten.

1984, im April, nach 32 Jahren bei Gruner + Jahr, verlässt Rolf Gillhausen den Stern – als bester Art Direktor Europas, ausgezeichnet mit 95 ADC-Medaillen. Ein Jahr später wird er als „eine Persönlichkeit, die über Jahre Herausragendes geleistet und so Maßstäbe gesetzt hat – und selbst zum Vorbild für Kreative wurde“ zum ADC-Ehrenmitglied ernannt.

Am 22. Februar 2004 stirbt Rolf Gillhausen im Alter von 81 Jahren in Hamburg.

(he)