Der konservative Publizist Johannes Gross war Gründer und Chefredakteur mehrerer Zeitschriften, Medienmanager und zuletzt Vorstandsmitglied im Verlag Gruner + Jahr. Dank seiner sprachlichen Brillanz und seiner hintersinnigen Ironie wurde er zu einem gern und viel gelesenen „homme de lettres“, von denen es nicht allzu viele im Medienbereich gibt.
Geboren wurde er am 6. Mai 1932 in Neunkhausen/Westerwaldkreis. Nach dem Abitur studierte er Jura und Philosophie in Marburg und gründete 1954 zusammen mit Rüdiger Altmann die christlich-konservative Studentenzeitschrift Civis des RCDS.
Nach dem ersten juristischen Staatsexamen begann er als Korrespondent bei der Deutschen Zeitung. 1960 erregte er schon als 28Jähriger große Aufmerksamkeit eines thailändischen Herrscherpaars bei ihrem Besuch in Bonn, denen er als Abgesandter der German Press (gemeint war die Deutsche Zeitung) vorgestellt wurde. Die Thais hielten ihn daraufhin für den Vertreter der gesamten deutschen Presse mit großem Einfluss auf die öffentliche Meinung in Deutschland und behandelten ihn entsprechend. Was er in seinem Bericht persiflierte. Später wurde er bei der Deutschen Zeitung Ressortchef Politik.
1962 wechselte er als Leiter der politischen Abteilung zum Deutschlandfunk und blieb außerdem ständiger Mitarbeiter von Christ und Welt.
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1968 wurde er Chefredakteur und stellvertretender Intendant bei der Deutschen Welle. Als ihm, dem Chefredakteur, dort 1974 vom Intendanten Walter Steigner (SPD) ohne vorherige Abstimmung aus einer Rundfunkratssitzung heraus gleich vier Stellvertreter zur Seite gestellt wurden – je einen aus der CDU, der CSU, aus der SPD und FDP – beendete er seine Tätigkeit beim Auslandsfunk der Bundesrepublik, weil er politische Gängelung befürchtete. Als Steigner mit Blick auf seine Wiederwahl darauf beharrte, entgegnete Gross: „Dann werde ich fristlos kündigen, denn so lasse ich mich nicht behandeln. Das betrifft nicht nur die Unabhängigkeit meiner Person, sondern auch die des Senders."
Schon zwei Tage später wurde Gross Chefredakteur beim Wirtschaftsmagazin Capital und ab 1980 Herausgeber von Capital und Impulse. Mit Capital widmete man sich den Verbrauchern – mit dem von ihm neu gegründeten Impulse den Unternehmern. Nach dem Skandal um die „Hitler-Tagebücher“ sollte er im Mai 1983 zusammen mit Peter Scholl-Latour die Herausgeberschaft und Chefredaktion des STERN übernehmen. Dagegen wehrte sich die Redaktion des Magazins, die sich schon durch die Beschaffung der gefälschten Tagebücher durch den Vorstand, und ohne ihr Wissen, überrumpelt fühlte. Und Gross hatte sich in seinen Veröffentlichungen mehrfach äußerst kritisch über den STERN geäußert. Die Redaktion wollte statt des Konservativen lieber den moderaten Peter Scholl-Latour an der Spitze der Redaktion haben. Und hatte damit Erfolg.
Gross wurde stattdessen in den Vorstand von Gruner + Jahr berufen, wo der STERN erschien. In diesem Gremium sollte und wollte er die publizistischen Interessen des Verlags vertreten und direkte Eingriffe in die Redaktionsarbeit verhindern, vor allem jegliche Bevormundung. So bekamen die Stern-Journalisten auch ihr Redaktionsstatut zurück, was man zuvor aufgehoben hatte. Aber weil es in einem Vorstand natürlich um alle Unternehmensbereiche und deren Probleme geht, fokussierte er sich nach zwölf Jahren lieber wieder auf die journalistische Arbeit und verzichtete daher auf eine Wiederwahl.
Johannes Gross war ein begnadeter Aphoristiker, Diskutant und Redner. Von 1980 an würzte er seine regelmäßigen Kolumnen im FAZ-Magazin mit entlarvenden Bonmots und oft sarkastischen Sottisen. Die NZZ Neue Zürcher Zeitung bezeichnete Gross als einen Meister der Nadelstiche.
Daneben moderierte er für das ZDF von 1977 bis 1984 die „Bonner Runde“ – scharfzüngig und humorvoll. Das beendete er schließlich, weil er der immer wieder vorhersehbar nichtssagenden Antworten der Politiker überdrüssig war. „Schluss damit, die Politiker sind mir zu dumm“, soll er damals gesagt haben.
Nach der Wende setzte er sich vehement für eine Hauptstadt Berlin ein und für die nach seinen Worten „Berliner Republik“. Über den da zunächst zögernden Helmut Kohl ätzte er bei einem seiner Auftritte: „Riesenwuchs muss sich ja nicht unbedingt auf alle Körperteile auswirken!“ Schon 1993 hatte er Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen, siebzehn Jahre zu früh. Gauck war im Oktober 1990 Leiter der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen geworden – daher diese süffisante Begründung von Gross: „Joachim Gauck, den ich unverdrossen zum Bundespräsidenten vorschlage, hätte zu allem den Vorzug, daß einige Leute bei ihm nicht einmal zum Antrittsbesuch erscheinen könnten.“
Johannes Gross, der so scharfzüngige wie weltoffene Humanist war reiselustig und immer auf dem Sprung. Dazu ein bekennender Gourmet, ein Liebhaber großer Weine und ein hervorragender Schachspieler. Bei G+J reichte er einst die nicht gerade billige Restaurantrechnung für eine einzige Person aus dem nahegelegenen Hotel Interconti ein, mit dem Vermerk: „Selbstgespräch mit einer wichtigen Persönlichkeit“. Auf solche Weise wollte er spöttelnd die Reaktion im Verlag auf die neuesten internen Spar-Erlasse testen, so wie er gern auch über die zunehmend überbordende Bürokratie in Unternehmen wie überall im Lande ätzte.
Johannes Gross starb nach einer Nierentransplantation am 29. September 1999 im Alter von 67 Jahren in Köln und wurde dort auf dem Melaten-Friedhof beigesetzt.
(hhb)
Quellen
Karlheinz Weißmann: Johannes Gross / Staatspolitisches Handbuch
Michael Kleeberg: Mit Johannes Groß gegen die Dummheit / WELT am 15.5.2010
Hans-Jürgen Jacobs: Johannes Gross - Der Verlorene / Südd. Ztg. Vom 17.5.2010
Wolfgang Stock: Johannes Gross, der Aphoristiker der Überlegenheit / Stockpress.de vom 3.9.2010
Marko Martin: Im Geiste einer jeden Generation / WELT vom 5.5.2012
Bücher
Johannes Gross: Die Deutschen / Scheffler 1967
Johannes Gross: Unsere letzten Jahre / Dt, Verlags-Anstalt 1980
Johannes Gross: Notizbuch / Dt. Verlags-Anstalt 1985
Johannes Gross: Phönix in Asche / Dt. Verlags-Anstalt 1989
Johannes Gross: Über die Deutschen / Manesse 1992
Johannes Gross: Das neue Notizbuch / Ullstein 1990
Johannes Gross: Wie das Wunder in die Jahre kam / Econ 1994
Johannes Gross: Begründung der Berliner Republik / Dt. Verlags-Anstalt 1995
Johannes Gross: Die Hauptstadt / 1996
Johannes Gross: Nachrichten aus der Berliner Republik / Siedler 1999
FAZ Fragebogen Johannes Gross zum Download