Thilo Koch

Der deutsche Rundfunk- und Fernsehjournalist Thilo Koch, ein Pionier dieser damals noch neuen Medien, drehte mehr als 150 Dokumentarfilme, kommentierte 1963 die erste Live-Übertragung via Satellit und begründete den „Weltspiegel“. In den 1960er und 70er Jahren soll er laut Umfragen der damals populärste deutsche Journalist gewesen sein. Thilo Koch hat tatkräftig dazu beigetragen, die deutsche Rundfunklandschaft in den 50er Jahren wieder aufzubauen und neu zu beleben. Ab 1956 wurde er zu einem Fernsehmann der ersten Stunde, berichtete zunächst aus Amerika, war Moderator des TV-Magazins "Weltspiegel" und produzierte zahlreiche Reportagen und Dokumentarberichte für das Fernsehen.

Thilo Koch wurde am 20. September 1920 in Kanena-Bruckdorf geboren, heute ein Stadtteil im Osten von Halle an der Saale. Er wuchs allerdings im brandenburgischen  Plessa auf, wo sein Vater eine Brikettfabrik leitete. Dort besuchte er bis 1931 die Grundschule, wechselte dann zunächst in eine Privatschule und ging ab 1934 auf die Elsterschlossschule in der Kleinstadt Elsterwerda. Dort legte er 1939 sein Abitur als Klassenbester ab.

Nach Schulabschluss wurde Koch zum Militär eingezogen und war während des Zweiten Weltkriegs zunächst Bausoldat in Polen und später Funker in Griechenland und Italien. Kurz vor Kriegsende desertierte er und kehrte zu Fuß in seine südbrandenburgische Heimat zurück.

In Berlin begann er Germanistik, Geschichte und Philosophie zu studieren und arbeitete nebenher für verschiedene Zeitungen. Bereits 1946 bewarb er sich auch beim NWDR und wurde dort freier Mitarbeiter.

 

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In der Kulturzeitschrift Dionysos schrieb er damals über seine ersten Erfahrungen: „Den Hörer, der das Radio nur als automatische Trommelfellmassage gebraucht, den können wir mit Wortsendungen nicht erreichen.“ Er begann nach seiner Festanstellung beim NWDR im Radio Diskussionen zu arrangieren, etwa zwischen Schriftstellern oder Politikern, denn er wollte neue Eindrücke vermitteln und zum Nachdenken anregen. Wie zum Beispiel am 22. März 1950 mit der von ihm geleiteten Diskussion zwischen Gottfried Benn und ► Peter de Mendelssohn, worin es um Schriftsteller und Emigration ging.

Von Berlin aus wurde er zum meistgehörten Rundfunk-Kommentator in der DDR, mit Sendungen wie „Blickpunkt Berlin“ oder „Gruß an die Zone“. Parallel dazu arbeitete er als Berlin-Korrespondent für die ZEIT. Bis er dann 1954 die Leitung des Berliner NWDR-Studios übernahm. 1955 begleitete er Konrad Adenauer auf dessen erster Reise nach Moskau.

Ab 1958 arbeitete Thilo Koch fürs Fernsehen. Auf seine Initiative ging die Sendereihe „Diesseits und Jenseits der Zonengrenze“ zurück – für deren 100. Sendung kehrte Koch am 29. April 1962 extra aus Washington zurück - zu einem Gespräch unter dem Motto „Amerika, Berlin, die Mauer und wir“.

1960 wurde er, als Nachfolger ► Peter von Zahns, TV-Chefkorrespondent in den USA für NDR und WDR. Bis 1964 schickte er aus Washington D.C. regelmäßig seine eineinhalbminütigen Beiträge für die ARD-Nachrichten. Seine Stimme aus Amerika endete stets mit einem „Guten Abend drüben in Deutschland“. Und an jedem Sonntagabend wurden dann „Weltbühne Amerika“ oder „Brief aus Washington“ Teil der Tagesschau. 1963 leitete er die überhaupt erste TV-Live-Übertragung via Satellit: Darin zeigte und kommentierte Thilo Koch die Beisetzungsfeierlichkeiten für den ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy.

Zurück in Deutschland informierte er von 1964 bis 1969 in der Reihe „Thilo Koch berichtet“. Er wurde Mitbegründer des TV-Magazins Weltspiegel und drehte darüber hinaus zahlreiche Fernsehfilme und Reportagen. Thilo Koch war insgesamt 36 Jahre beim NDR tätig, bis 1982: als Reporter, Feuilletonist und Kommentator. Seine Deutschland-Serien mit Themen wie „Student sein in Deutschland“ oder „Frauen in Deutschland“ setzten Maßstäbe. Denn immer wollte er dabei mehr als nur schöne Bilder zeigen – er wollte etwas mitteilen, erklären, neue Eindrücke und Erkenntnisse vermitteln. So entstanden auch seine politischen Geschichtserzählungen über Deutschland: Dokumentationen gedacht zur Auffrischung des historischen Gedächtnisses. „Deutschland nach dem Kriege“, „Frauen in Deutschland“, „Kämpfer für eine neue Welt“, „Jugend diskutiert über aktuelle Politik“, „Die goldenen Zwanziger Jahre“ oder seine „Tischgespräche“ sind bis heute Legende. Und immer ausgestrahlt in den zuschauerstarken Abendstunden.

Insgesamt drehte er wohl mehr als 150 solcher Dokumentarfilme. Nach seiner Zeit beim NDR schrieb wieder als Essayist und Feuilletonist für Zeitungen oder Magazine wie ZEIT und GEO. Aus seiner Feder stammten unter anderem die „Briefe aus Krähwinkel“ in der ZEIT. Briefe eines Vaters an seine heranwachsende Tochter, voll Diskussionsthemen für viele Familien. Er war auch im Radio zu hören und verfasste zahlreiche Sachbücher und Essays – über Berlin, Deutschland, Nord- und Südamerika oder die Welt im Wandel – und produzierte Hörbücher über den deutschen Zusammenbruch, die Teilung oder den Neubeginn. Und immer wieder veröffentlichte er auch in Printmedien, 1980 etwa einen ausführlichen Bericht in GEO über Israel: ‚Sinai – wo das Gesetz vom Himmel fiel‘.

1974 erhielt Thilo Koch das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 1991 den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg.

Er starb am 12. September 2006 im Alter von 85 Jahren in Hausen ob Verena, eine Gemeinde im Landkreis Tuttlingen.

Jobst Plog, Intendant des NDR, würdigte Thilo Koch tags darauf: „Thilo Koch war einer der großen Fernsehpioniere, der den Zuschauern mit seinem markanten Reportagestil neue Einblicke in für sie bis zu dahin weitgehend unbekannte Welten ermöglichte. Thilo Koch wurde zum Vorbild für nachwachsende Journalisten-Generationen, die von ihm neben der Beherrschung des Handwerks eine gehörige Distanz zu sich selbst, feine Ironie und die nimmermüde Lust an der Beobachtung lernen konnten."

(hhb)

 

Quellen

NDR trauert um Thilo Koch

Fernsehpionier Thilo Koch gestorben / SPIEGEL Kultur vom 13.9.2006

TV-Urgestein Thilo Koch ist tot / FOCUS online am 13.11.2013

 

Bücher:

Thilo Koch: Gottfried Benn / Saga

Thilo Koch: Auf dem Schachbrett der Sowjetunion – die DDR / Saga

Thilo Koch: Fünf Jahre der Entscheidung – Deutschland nach dem Krieg 1945-1949

Thilo Koch: Tagebuch aus Washington (drei Bände) / Saga 1963

Thilo Koch: Reporter Report

Thilo Koch: Interview mit Südamerika / DVA 1972

Thilo Koch: Briefe aus Krähwinkel / DVA 1978