Walter Mehring

Walter Mehring war einer der bedeutendsten Satiriker in der Zeit der Weimarer Republik. Er schrieb viel beachtete Theaterstücke, dazu Texte und Chansons für die politischen Kabarett-Bühnen in Berlin. Seine bissigen Kommentare und Gedichte veröffentlichte er in damals angesagten und viel gelesenen Zeitschriften wie Der Sturm, Die Weltbühne oder das Tage-Buch.

Walter Mehring wurde am 29. April 1896 in Berlin geboren, als Sohn des Publizisten und Autors Sigmar Mehring und der aus Prag stammenden Opernsängerin Hedwig Löwenstein. In Berlin besuchte er das Königliche Wilhelms-Gymnasium, bis er zu Beginn des Ersten Weltkriegs wegen „unpatriotischen Verhaltens“ von der Schule durch ein Consilium Abeundi verwiesen wurde und sein Abitur daher extern ablegen musste.

Er studierte in Berlin und München zweieinhalb Semester Kunstgeschichte, wurde dann aber im Dezember 1916 zum Militär einberufen.

Schon als Student hatte er Kontakt zur damals aufkommenden Dada-Bewegung und veröffentlichte erste Gedichte in Herwarth Waldens Der Sturm, einer Zeitschrift für Kunst und Kultur. Am 15. Februar 1919, kurz nach dem Berliner Spartakusaufstand, erschien die einzige Ausgabe der satirischen Zeitschrift Jedermann sein eigner Fußball, die Wieland Herzfelde in seinem Malik-Verlag herausgegeben hatte. Sie wurde sofort wegen Obszönität beschlagnahmt. Stein des Anstoßes war Mehrings Gedicht „Der Coitus im Dreimäderlhaus“, eine satirische Anspielung auf die damals populäre Operette „Das Dreimäderlhaus“. Mehring wurde verklagt, aber im Prozess dann freigesprochen.

 

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Copyright: Nationaal Archief, Willem van de Poll

Seit den 20er Jahren schrieb Walter Mehring regelmäßig für mehrere literarische Zeitschriften: für Siegfried Jacobsons Weltbühne oder das mit Hilfe von Ernst Rowohlt verlegte linksliberale Tage-Buch. Mehring lieferte den Redaktionen spöttelnde Gedichte und satirische Prosa gegen Militarismus, extremen Nationalismus, Antisemitismus und im Verlauf der Jahre dann vor allem gegen den aufkommenden Nationalsozialismus.

Neben Kurt Tucholsky gehörte er zu den Förderern des politischen Kabaretts in Berlin. Mehring schrieb Texte für Max Reinhardts „Schall und Rauch“, Rosa Valettis „Café Größenwahn“ oder die „Wilde Bühne“ von Trude Hesterberg. Ihr und Friedrich Hollaender lieferte er kontinuierlich aktuelle Chansontexte.

1929 inszenierte Piscator sein Theaterstück „Der Kaufmann von Berlin“. Diese satirische Anspielung auf die Inflationsgewinnler wurde zum größten Theaterskandal in der Weimarer Zeit. Die SA nutzte ihn, um vor dem Theater zu demonstrieren und Goebbels verfasste in der Berliner NS-Gauzeitung Der Angriff einen Hetzartikel gegen Mehring mit dem Titel „An den Galgen“.

Nach der Machtergreifung wurden auch Mehrings Bücher öffentlich verbrannt und nur durch eine rechtzeitige Warnung aus dem Auswärtigen Amt entging er seiner Verhaftung durch die Gestapo. Denn noch bevor der Reichstag brannte, war Mehring auf dem Weg nach Paris.

Von 1934 bis 1938 lebte Mehring zumeist in Wien, wohl weil, wie er einst sagte, die deutsche Sprache seine eigentliche Heimat sei. Was Kurt Tucholsky schon in der Weltbühne vom 25.11.1920 ironisch unterstrichen hatte: „Er beherrscht alle Berliner Dialekte: den des Luden, der Hure, des Schiebers, des zivilisierten Konfektionärs, des Droschkenkutschers und am meisten den Dialekt des Zeitungslesers, den die gar nicht als Dialekt spüren und von dem sie glauben, das sei ihr geliebtes Deutsch.“

In Wien arbeitete er für Leopold Schwarzschilds Exil-Zeitung Das Neue Tage-Buch. Außerdem schrieb er dort seinen satirischen Roman „Müller, Chronik einer deutschen Sippe von Tacitus bis Hitler“, in dem er mit Opportunismus, Untertanengeist und Rassismus abrechnete.

Als die deutschen Truppen 1938 in Österreich einmarschierten, floh er wieder nach Paris und wurde dort bei Kriegsbeginn zunächst als feindlicher Staatenloser in einem Camp in der Normandie interniert. Durfte dann aber im Februar 1940 nach Paris zurückkehren. Als die Deutschen im Juni 1940 auch dort einmarschierten, floh er sechs Wochen lang zu Fuß nach Marseille und versteckte sich dort, bis er Anfang 1941 ein Einreisevisum für die USA bekam.

Zunächst begab er sich nach Hollywood, wo ihm MGM einen Jahresvertrag als Drehbuchautor erteilte. Danach zog er nach New York, wo er gelegentlich Arbeitsmöglichleiten für die Medien Der Aufbau, The Nation und The New York Times bekam sowie einen Lehrauftrag in Princeton. 1942 gehörte er zum Redaktionsteam des US-Auslandssenders Voice of America.

1953 wurde er amerikanischer Staatsbürger und kehrte immer mal wieder nach Deutschland zurück, nach Berlin, Hamburg oder München. Doch bald entschied er sich gegen eine endgültige Heimkehr nach Deutschland und ließ sich 1958 in der Schweiz nieder.

1967 erhielt Mehring den Fontanepreis, einen Berliner Literaturpreis.

Er lebte in Ascona und Zürich, wo er nach mehreren missglückten Versuchen, sich doch noch in München niederzulassen, am 3. Oktober 1981 verarmt in einem Altersheim starb und auf dem Friedhof Sihlfeld beigesetzt wurde.

(hhb)

 

Quellen:

Walter Mehring – Künste im Exil

Dietrich Seybold: Institut für Theaterwissenschaft

Wolfgang Emmerich: Mehring, Walter / Neue Deutsche Biographie 1990

Christph Vormweg: Rebellische Berliner Schnauze mit Köpfchen / Deutschlandfunk 2021

Martin Dreyfus: Wer war Walter Mehring? / WBG

Walter Mehring: Vita

 

Bücher:

Walter Mehring: Hoppla! Wir leben! – Gedichte, Lieder und Chansons / Henschelverlag Berlin 1984

Walter Mehring: Nazi-Führer sehen dich an – 33 Biographien aus dem Dritten Reich / 1934 – Neuauflage bei wbg Theiss

Walter Mehring: Müller, Chronik einer deutschen Sippe von Tacitus bis Hitler / zocher & peter verlag, Zürich – Neuauflage 2023