Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky wurde am 9. Januar 1890 in Berlin geboren. Nach dem Abitur begann er in Berlin und Genf ein Jura-Studium – seine Liebe und sein Interesse aber gehörten der Literatur und dem Journalismus. Folgerichtig brach er das Studium noch vor dem ersten Staatsexamen ab, promovierte dennoch in Jena zum Dr. iur.

Seine journalistische Karriere begann schon zu Schulzeiten: Als 17-Jähriger schrieb er für „Ulk - Illustriertes Wochenblatt für Humor und Satire“, wo er sich zum Beispiel über den Kunstgeschmack von Kaiser Wilhelm II. lustig machte. Später, von Dezember 1918 bis April 1920 war er dort Chefredakteur.

Seine ersten journalistischen Erfolge erzielte er im „Vorwärts“. Er unterstützte den SPD-Wahlkampf im Jahr 1911, wandte sich dann aber von der Partei wieder ab, als er deren Ziele und Ideen nicht mehr mittragen wollte.

1913 lernte er Siegfried Jacobsen kennen, den Herausgeber der „Schaubühne“. Dort wurde er zunächst Literatur- und Theaterkritiker. Mit dieser Zeitschrift blieb er eng verbunden, zumal sie nach Ende des Ersten Weltkriegs zur deutlich politischeren „Die Weltbühne“ umbenannt und neu positioniert wurde.

Zuvor war auch er eingezogen worden, hatte aber das Glück als Kompanieschreiber und Herausgeber der Feldzeitung „Der Flieger“ zu überwintern.  Seine Erfahrungen während dieser Kriegsjahre prägten ihn  – von dieser Zeit an hatte er keinerlei Verständnis mehr für die immer wieder aufflackernde deutsche Militanz und das sie begleitende Kriegsgeschrei.

In der Weimarer Republik entwickelte er sich zu einem der bedeutendsten Publizisten - als Satiriker, Gesellschaftskritiker, Antimilitarist und linker Demokrat. Wobei er seine Wirkmöglichkeit unterschätzte: „Ich habe Erfolg. Aber ich habe keinerlei Wirkung“ schrieb er später resigniert.

In „Die Weltbühne“ veröffentlichte er Beiträge für nahezu alle Ressorts. Um das Blatt nicht gar zu Tucholsky-lastig erscheinen zu lassen wählte man mehrere Pseudonyme: Ignaz Wrobel, Peter Panter, Theobald Tiger, Kaspar Hauser, aber auch Paulus Bünzly oder Old Shatterhand.

1920/21 arbeitete er wegen der sehr guten Bezahlung für ein Propagandablatt der Regierung namens „Pieron“, das vor der Volksabstimmung in Oberschlesien antipolnische Stimmung machen sollte. Tucholsky bereute dieses Intermezzo später sehr.

 

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In „Die Weltbühne“ startete er 1919 mehrere antimilitaristische Artikel gegen den noch immer existenten und offen zur Schau gestellten wilhelminischen Corpsgeist. Später prangerte er die politischen Morde an: Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Walther Rathenau, Matthias Erzberger und Philip Scheidemann. Und er wohnte den Prozessen gegen die verantwortlichen Fememörder bei, die von sympathisierenden Richtern oft nachsichtig beurteilt wurden.

In der Zeit der Hyperinflation war er vorübergehend Privatsekretär eines Berliner Bankiers. Aber ab 1924 wieder Pariser Korrespondent für „Die Weltbühne“ und die „Vossische Zeitung“. Nach Jacobsohns Tod 1926 übernahm er vorübergehend die Leitung der „Weltbühne“ und veröffentlichte in dieser Zeit mehrere Reisebücher.

Immer blieb er ein sehr kritischer Berichterstatter, der frühzeitig vor dem Aufkommen der NSDAP warnte. Erich Kästner beschrieb Tucholskys aussichtslosen Kampf so: Kurt Tucholsky war ein kleiner dicker Mann, der versuchte, mit seiner Schreibmaschine eine Katastrophe aufzuhalten.“

Zusammen mit John Heartfield gab er 1929 „Deutschland, Deutschland über alles“ heraus, ein politisches Bilderbuch zur Lage der Nation. Voll radikaler Attacken gegen aber auch mit liebevollen Beschreibungen über Deutschland. Aber all diese Warnungen blieben ohne Erfolg – darum zog er sich bereits 1929 nach Schweden zurück. Dort resignierte er nach und nach und verstummte, nicht zuletzt wegen zunehmender gesundheitlicher Probleme.

An seinen Freund Walter Hasenclever schrieb er am 11. April 1933: „Daß unsere Welt in Deutschland zu existieren aufgehört hat, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Und daher: Werde ich erst amal das Maul halten. Gegen einen Ozean pfeift man nicht an.“

Wegen andauernder Magenschmerzen und Schlaflosigkeit nahm er regelmäßig Barbiturate. Am 20. Dezember 1935 offenbar eine Überdosis. Einen Tag später starb Kurt Tucholsky in einem Göteburger Krankenhaus.

 (hhb)

 

Hier einige Beispiele von Tucholskys Versuchen, mit seiner Schreibmaschine die Katastrophe aufzuhalten:

23.01.1919 in Die Weltbühne: „Zwei Erschlagene–Liebknecht und Rosa Luxemburg“

27.01.1919 im Berliner Tageblatt "Was darf Satire?"

27.02.1919 in Die Weltbühne: „Eisner“

05.06.1919 in Die Weltbühne: „Preußische Presse“

04.07.1919 in Ulk: „Erzberger“

1920 in Die Balldame. Erinnerungsblätter an den Presseball 1920: „Presse-Walzer“

1920 in Freie Welt Nr. 42: „Revolutions-Rückblick“

29.09.1921 in Die Weltbühne: „Sozialdemokratischer Parteitag“

15.06.1922 in Die Weltbühne: „An Philipp Scheidemann“

26.06.1922 in Welt am Montag: „Das Opfer einer Republik – Walther Rathenau“

06.05.1930 in Die Weltbühne: „Das dritte Reich“

20.05.1930 in Die Weltbühne: „50 % Bürgerkrieg“

1930 in Arbeiter Illustrierte Zeitung Nr. 37: „Aussage eines Nationalsozialisten vor Gericht“

28.10.1930 in Die Weltbühne: „Blick in die ferne Zukunft“

02.12.1930 in Die Weltbühne: „Der Reichstagsbericht“

20.03.1931 in Die Menschenrechte Nr. 3: „Gegen das Remarque-Filmverbot“

12.05.1931 in Die Weltbühne: „Auch eine Urteilsbegründung“

06.10.1931 in Die Weltbühne: „Parteiwirtschaft“

16.02.1932 in Die Weltbühne: „Dreh dich hin, dreh dich her – kleine Wetterfahne“

03.05.1932 in Die Weltbühne: „Freier Funk! Freier Film!“

17.05.1932 in Die Weltbühne: „Für Carl v. Ossietzky / General-Quittung“

17.05.1932 in Die Weltbühne: „Hitler und Goethe – ein Schulaufsatz“