Der Spiegel Nr. 18, 27. April 1954
Auf eine dem Leser leicht entgehende Meldung von wenigen Zeilen beschränkten die Zeitungen in den Niederlanden bisher ihre Berichterstattung über den (am 15. April begonnenen) Wintersport-Aufenthalt der niederländischen Königsfamilie in Tirol.
Im März hatte nämlich Königin Juliana auf Schloß Soestdijk den Vorsitzenden der Sektion »Chefredakteure« im Verband der holländischen Journalisten empfangen: Robert Peereboom, und den Sekretär der Sektion, Dr. Maarten Rooy, Chefredakteur des liberalen »Nieuwe Rotterdamsche Courant«. Die Königin bat, die Presse möge von ihren und den Ferien anderer Mitglieder des königlichen Hauses künftig möglichst wenig Notiz nehmen. Kurze Zeit nach dieser Unterredung erhielten sämtliche Chefredakteure der holländischen Zeitungen, die in den Niederlanden vertretenen Nachrichtenagenturen (die DPA war anscheinend vergessen worden) und zu allem Unglück auch der Vorstand der Ausländischen Pressevereinigung ein von
Peereboom und Dr. Rooy unterzeichnetes vertrauliches Rundschreiben mit einer Reihe von »Empfehlungen«.
Es wurde empfohlen,
* alle nichtoffiziellen Berichte über das Königshaus vom Hof oder von der Regierung »auf Richtigkeit und Opportunität« überprüfen zu lassen;
* offizielle Kommuniqués ungekürzt und unverändert aufzunehmen, da »nur die genannten Instanzen beurteilen können, mit welcher Absicht« sie »gerade so formuliert sind«;
* Bildunterschriften »nicht zu familiär« zu halten.
Dem Rundschreiben war eine Bescheinigung beigefügt, auf der die Empfänger bestätigen sollten, daß sie die vertraulichen Empfehlungen befolgen werden.
Gegen diese Beschränkungen freier Berichterstattung protestierte bislang nur die Ausländische Pressevereinigung. Sie nahm auf einer zum 3. April nach Utrecht einberufenen außergewöhnlichen Mitgliederversammlung eine Protest-Resolution an. Darin heißt es, die Vereinigung könne »unter gar keinen Umständen eine Abweichung vom unantastbaren Prinzip der Presse-Freiheit akzeptieren« und lege gegen den Versuch der Sektion »Chefredakteure« des Verbandes holländischer Journalisten, »den ausländischen Korrespondenten völlig unannehmbare Richtlinien aufzuerlegen, schärfste Verwahrung ein«.
Keine niederländische Zeitung, kein Wochenblatt und keine Zeitschrift veröffentlichte über die Aktion der ausländischen Pressevertreter gegen den Abfall der Niederlande von den Grundsätzen der Pressefreiheit auch nur eine einzige Zeile.