Klaus May

Klaus May war ein bekannter, erfahrener und weitsichtiger Medien- und Kommunikationsmanager, der von den 70er Jahren bis weit ins neue Jahrtausend wirkte und mit seinem Leben für die bewegten Jahrzehnte des Umbruchs von den alten zu den neuen Medien in Deutschland steht.

 

Geboren wurde Klaus May am 10. Februar 1933 in Düsseldorf. Dort besuchte er das Görres-Gymnasium und entdeckte bereits früh seine Neigung für Medien-Aktivitäten. Er schrieb schon als 14-Jähriger für die Schülerzeitung Schulkurier – mit 17 wurde er deren Chefredakteur. Nebenbei verdiente er sich erste Honorare durch kleine Zeitungsartikel und Meldungen für die Heimatpresse. Nach dem Abitur volontierte er beim Rheinischen Merkur, studierte dann aber auf nachhaltigen Druck seines Vaters an der Universität in Hamburg – allerdings anders als von ihm gewünscht – Geschichte, Politologie und Psychologie.

Seine berufliche Karriere startete May in der Konsumgüterwirtschaft, im Marketing und in der Werbung der Bremer Martin Brinkmann AG. Der Zigarettenhersteller gehörte in den 60er Jahren zu den großen werbungtreibenden Unternehmen mit einer fortschrittlichen, an den USA orientierten Marktausrichtung und war ein wichtiger Anzeigenkunde auch für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. In seiner Brinkmann-Zeit lernte May den Spiegel-Verlagsleiter Rolf Poppe kennen, der seinerseits schnell Gefallen an dem smarten jungen Mann aus der Markenartikel-Industrie fand. Als Poppe 1970 als Zeitschriften-Chef zu Gruner + Jahr wechselte, machte er May das Angebot, ebenfalls zu G+J zu kommen, zunächst bescheiden als sein Büroleiter. Das Verlagsgeschäft hatte den jungen May ja schon seit seiner Schulzeit fasziniert. Journalist werden zu wollen, das war damals sein übergeordnetes Berufsziel. Und nun war er ein enger Mitarbeiter des Top-Managers eines der führenden deutschen Zeitschriftenverlage, unmittelbar in dessen Schaltzentrale – zudem in Hamburg, wo er studiert hatte.

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Copyright: Markus Dewanger, medien holding:nord gmbh

Bei Gruner + Jahr gehörte May zu den jungen Dreißigern um Ernst Naumann und Rolf Poppe, die dem von Gerd Bucerius, Richard Gruner und John Jahr 1965 gegründeten Großverlag neuen Schwung geben sollten. Denn nach der Fusion der Unternehmensteile der beiden Verleger Bucerius und Jahr mit dem Drucker Gruner werkelten die früheren Verlagsgruppen noch immer eher behäbig und abgeschottet nebeneinander her. Der Fusionsprozess sollte bis in die 70er Jahre andauern.

Ab 1970 hieß es, aus dem bisherigen „Apartmenthaus für Einzelverlage“ endlich einen schlagkräftigen Großverlag zu formen, Synergien freizusetzen und den Konkurrenten Springer, Bauer und Burda Paroli zu bieten. Zunächst war Klaus May nach einer kurzen Zeit als Poppes Büroleiter titelübergreifend für die G+J-Verlagswerbung zuständig, wobei ihm seine beruflichen Erfahrungen beim Zigaretten-Konzern zugutekamen. Grundsätze wie Markenführung und ganzheitliche Kommunikationsstrategien waren damals im aufstrebenden Verlagswesen noch Neuland. Aufgrund seiner Erfolge übernahm May wenig später in einer Job-Rotation die Verlagsleitung des stern.

Aus jenen turbulenten Tagen stammt Mays gern zitierte, zwar satirisch gemeinte, aber oft zutreffende Erkenntnis über „die sechs Phasen eines Projektes“, von denen er viele über so manche Hürde gebracht hatte: Zuerst überwiege die Begeisterung, gefolgt von Ernüchterung und oft sogar von Panik; dann beginne die Suche nach Schuldigen, gefolgt von der Bestrafung der Unschuldigen und schließlich die Auszeichnung der Nichtbeteiligten.

Mitte 1973 wurde Klaus May zum Leiter des G+J-Fachbereiches Vertrieb samt der Abteilung Verlagsrechte und Nebengeschäfte berufen. Dort reformierte er die G+J-Vertriebsaktivitäten ebenso effizient wie vor allem zukunftsorientiert durch den Einsatz neuer, in Deutschland noch weitgehend unbekannter digitaler Techniken. Was sich als Voraussetzung für die folgende G+J-Offensive mit der Gründung neuer Magazine in der zweiten Hälfte der 70er Jahre erweisen sollte: Der G+J-Vertrieb setzte damals in seinem Konkurrenzumfeld der Großverlage Maßstäbe als eine qualitätsorientierte und service-orientierte Organisation; sowohl im Presse-Groß- und Einzelhandel wie auch für die Verlags-Abonnements, die zunehmend an Bedeutung gewannen.

Zu Beginn der 80er Jahre, als Gruner + Jahr wie auch der G+J-Mehrheitsgesellschafter Bertelsmann auf sich abzeichnende neue Medienmärkte drängten, erwies sich Klaus May als Stratege des Übergangs zu solchen neuen Medien und als der richtige Mann bei G+J. Bevor G+J-Vorstandschef Dr. Manfred Fischer in die gleiche Position bei Bertelsmann nach Gütersloh wechselte, ernannte er Klaus May zum „Beauftragten für neue Medien im Hause G+J“. May hatte sich bereits als G+J-Vertriebschef vorausschauend für diese Themen engagiert. So bestritt May im September 1982 in seiner neuen G+J-Funktion auf der Jahrestagung des Verbandes Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten in Baden-Baden eine von Johannes Gross, Herausgeber von Capital und Impulse, moderierte und vielbeachtete Podiumsdiskussion zu dem Jahrhundertthema „Printmedien – Zukunft oder Vergangenheit“, gemeinsam mit weiteren namhaften Verlagsmanagern und Chefredakteuren.

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v.l.n.r.: Klaus May und Dr. Manfred Fischer / Copyright: Heinz H. Behrens

Klaus Mays Lagebeschreibung der neuen Medien aus 1982 ist heute nach 40 Jahren noch genauso aktuell wie damals, wie folgende Auszüge aus den damaligen Statements von Klaus May zeigen:

  • Journalisten und Publizisten haben die große Fähigkeit, komplizierte Sachverhältnisnisse darzulegen und zu erklären. Wenn es jedoch um den Bereich der neuen Medien geht, dann sind die Autoren ganz klar befangen, weil sie über einen Bereich schreiben, dessen Entwicklung sie selbst erheblich tangieren kann…

    Hier wird ein Gegensatz konstruiert, den Gutenberg und seine Zeitgenossen nicht kannten. Gutenberg hat den damaligen Stand der Technik des Texte-Reproduzierens mittels Abschreiben durch seine geniale Erfindung verändert… Zu Gutenbergs Zeit machten in Europa ganze Fürstenhäuser unmissverständlich klar, dass es wohl nicht anginge, dass jeder anfinge zu drucken und zu reproduzieren. Drucken bedürfe gefälligst einer speziellen Genehmigung, und die würde erst nach Prüfung des Druckwerkes erteilt und natürlich dann nur an ausgewählte Personen…

    Parallelen zu Gutenbergs Zeiten gibt es also in Mengen. Aber so wie man die Erfindung des Herrn Gutenberg und ihre Verbreitung nicht verhindern konnte, so wenig wird man die Entwicklung neuer Medien langfristig verhindern können…
     
  • Wir sind davon überzeugt, dass wir auch in Zukunft im Zeichen der neuen Medien unsere Printmedien so anpassen können, dass sie weiterhin gute Chancen haben…

    Für die junge Generation wird es eigene Kanäle geben, und diese Generation wird dann originelle, alternative Formen entwickeln. Verlassen Sie sich darauf, die sind anders, als wir uns das heute vorstellen. In den Augen dieser jungen Leute sind wir die Vertreter der etablierten Printmedien-Industrie. Das hat in den Augen der Jüngeren natürlich auch einen negativen Akzent von Saturiertheit und Unbeweglichkeit. Wir werden in dieser unserer Printmedien-Industrie ein bisschen munterer werden müssen“.

Im Juni 1983 bekam May das reizvolle Angebot, als Geschäftsführer den SH:Z Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag mit dem Flensburger Tageblatt und seinen Kopfblättern zukunftssicher zu machen und auch seine Erkenntnisse zu den neuen Medien in die Praxis umzusetzen. Hier konnte er im Regionalmarkt Schleswig-Holstein einen großen Erfolg erringen, denn sein Verlag gehörte zu den Gründern des ersten privaten Rundfunksenders in Deutschland – R.SH Radio Schleswig-Holstein. Und daran hatte Klaus May herausragenden Anteil. R.SH ging am 1. Juli 1986 auf Sendung. Am Tag zuvor hatten die daran beteiligten Verlage eine großformatige und sehr selbstbewusste Anzeige geschaltet, die so lautete: „Lieber NDR, Du musst jetzt ganz tapfer sein“ – denn ab Mitternacht wird Radio Schleswig-Holstein senden.

 

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Was man in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Anstalten als ziemlich „großfressig“ abtat, denn R.SH bestand laut May anfangs aus gerade einmal einem guten Dutzend Mitarbeitern und etwa 600 CDs. Allein im NDR-Funkhaus Kiel arbeiteten damals rund 600 Mitarbeiter, die vier Radioprogramme erstellten. Aber das Sendekonzept von R.SH wollte eine junge Zielgruppe ansprechen, mit viel Pop-Musik für diese Hörer und Nachrichten in verständlicher Sprache ohne jeglichen Firlefanz. Genau das war auf Anhieb erfolgreich und leitete bald auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ein Umdenken ein.

Nach seiner Pensionierung im Jahr 1996 ging es für Klaus May in einen eher journalistisch ambitionierten Unruhe-Stand. So war er von 2001 bis 2004 stellvertretender Senatssprecher in Hamburg, für die CDU-geführte Regierung des Ole von Beust. Und danach gab es ein weiteres „back to the roots“: Klaus May blieb weiter als Journalist tätig und arbeitete als Hamburg-Korrespondent für das Flensburger Tageblatt und den SH:Z-Blog sowie für das Hamburger Stadtmagazin HanseStyle.

Klaus Mays persönliches und berufliches Vermächtnis ist auch im TV-Interview-Zeitzeugenportal der "Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" mit drei Interview-Passagen zu finden. Es geht dabei um seine Kindheit in der Nachkriegszeit in Düsseldorf; im zweiten Beitrag über seinen journalistischen Wunschberuf und im dritten Teil um Mays persönlichen Erfahrungsbericht zum „Rundfunk in der Krise“.

Am 20. Dezember 2021 starb Klaus May im Alter von 88 Jahren.

(hhb + ko)

 

Nachruf und Todesanzeige im Flensburger Tagblatt